Kirchen können kalt sein, sehr kalt! Und wer möchte schon zum Märtyrer werden, nur weil der Kunstlehrer der Ansicht ist, dass sich die Wirkung von Architektur am besten (oder eigentlich nur!) im Erleben ihrer realen Dimensionen zeigt?
So gesehen hatte der Kunstkurs großes Glück, dass das milde Herbstwetter nicht nur einen einigermaßen gemütlichen Gang durch die Nürnberger Altstadt mit ihrem verführerischen Verpflegungsangebot ermöglichte, sondern vor allem auch in den und um die Kirchen herum alle Konzentration auf das Betrachten, Beschreiben und Bestaunen der vielfältigen visuellen Eindrücke und das Verarbeiten zusätzlicher verbalen Informationen gerichtet sein konnte.
Auftakt und zugleich kontrastierende Folie zum Folgenden bildete die Besichtigung der klassizistischen Kirche St. Elisabeth am Jakobsplatz, die mit ihren Zitaten aus der Architektur der Antike, das neu erworbene Wissen der Schüler und Schülerinnen bezüglich griechischer Säulenordnungen auf eine erste Probe stellte.
St. Sebald, Nürnbergs älteste Kirche, bildete dann das Hauptziel der sakralarchitektonischen Wallfahrt: Sowohl außen als auch innen lassen sich die Spuren jahrhundertelanger Baugeschichte ersehen und mit dem Weg durch die massige Enge des romanischen Hauptschiffs zum spätgotischen Hallenchor versteht man auch, wie die religiösen Vorstellungen des Mittelalters in bautechnischen Errungenschaften sichtbar werden. Solche Architektur kann „gelesen“ werden (zumindest, wenn man das zugehörige Alphabet kennt).
Das Sebaldusgrab als Miniaturarchitektur hat den Blickwinkel dann noch auf die Renaissance erweitert und zusammen mit der morbiden Statue des „Fürsten der Welt“ hoffentlich auch zum Unterhaltungswert der Exkursion beigetragen.
Die rosettengeschmückte Fassade und das Strebewerk von St. Lorenz vervollständigten schließlich den Blick auf das mittelalterliche Bauen. Einen würdigen Abschluss der Exkursion mit einem Beispiel für gelungene moderne Architektur bildete ein Abstecher zur Fassade des „Neuen Museums“.
Haben sie gelitten wie Märtyrer, die Schülerinnen und Schüler? Na, zumindest an den Temperaturen lag es nicht…
Gerhard Rießbeck