„Sei einzigartig, sei vielfältig, sei Berlin!“ (ein Slogan der „Be Berlin- Kampagne“)
Einzigartigkeit, Vielfalt, aber auch Gegensätzlichkeit, der Kampf um und die Sehnsucht nach Freiheit- vielleicht sind diese Schlagworte ganz geeignet, um die Erfahrungen und Eindrücke zu bündeln, die die Schüler*innen der Klassen 10a,b,c des GWSG bei ihrer Berlinfahrt vom 10. bis 14. Juli 2023 sammeln konnten. Einzigartig, vielfältig und gegensätzlich ist sie ganz bestimmt- die deutsche Hauptstadt mit ihren 3,8 Millionen Einwohner*innen - auch deswegen, weil sich an keinem anderen Ort in Deutschland Geschichte so hautnah erleben und erfahren lässt, teilte doch die Mauer lange Jahre die Stadt in zwei Teile, die sich gesellschaftlich und politisch kaum stärker hätten unterscheiden können. Ein spannender Besuch im DDR-Museum vermittelte eine Vorstellung davon, wie der Alltag in der DDR aussah, der Besuch im Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen und ein angeregter Austausch auch mit ehemaligen Inhaftierten machte auf drastische Weise anschaulich, dass der nur allzu verständliche menschliche Wunsch nach (Bewegungs)freiheit über die Grenze in der DDR als Verbrechen behandelt wurde: Im Behördenjargon sprach man von „Republikflucht“ und der wurde bestraft z.B. mit dem Schießbefehl oder aber Inhaftierung. Geschichte lässt sich sicher nicht intensiver erleben, als wenn ein ehemaliger Inhaftierter seine frühere Zelle zeigt, seine Stasiakte aufblättert oder von seinem Fluchtversuch erzählt und von dessen blutigem Scheitern am „antifaschistischen Schutzwall“, wie die Mauer offiziell hieß.
Vom Leid der Menschen an und unter der deutschen Teilung erzählte uns auch der „Tränenpalast“, die ehemalige Ausreisehalle von der DDR nach Westen am Bahnhof Friedrichstraße, der wir ebenfalls einen Besuch abstatteten. Die Möglichkeit, durch eine original Passkontrollkabine zu gehen, ließ uns nachempfinden, welches Gefühl der Beklemmung und des absoluten Ausgeliefertseins die Menschen empfunden haben mussten, die sich dieser Kontrollprozedur unterzogen. Wieder waren es persönliche Geschichten von Menschen, die die deutsche Teilung am eigenen Leib erlitten, die hier anschaulich dargeboten wurden.
Berlin als Stadt der Vielfalt erlebten wir auch kulinarisch - in welcher anderen Stadt kann man so leicht sudanesisch oder afghanisch essen, um nur diese zwei Beispiele zu nennen, viele andere könnte man ergänzen. Als Stadt der Vielfalt und gleichzeitig Stadt der Gegensätze stellten Berlin uns sodann die zwei Stadtführer vor, die uns auf einer Stadtrundfahrt begleiteten: Karl-Marx-Allee, Alexanderplatz, Fernsehturm auf der östlichen Seite, Kurfürstendamm, Gedächtniskirche und Tiergarten auf der westlichen Seite, hier sollen ganz wenige Stichpunkte genügen, um diese Gegensätzlichkeit anzudeuten. Aber Gegensätzlichkeit besteht nicht nur zwischen dem Ost- und dem Westteil: Eine Schüler*innengruppe machte sich selbständig daran, den Westberliner Stadtteil Neukölln zu erkunden und reflektierte sehr sensibel und problembewusst die sozialen Schwierigkeiten, die Neukölln u.a. charakterisieren, war sich aber auch der Tatsache bewusst, dass es grundsätzlich falsch ist, einen Stadtteil nur auf seine Schwierigkeiten zu reduzieren. Ganz anders dann die Idylle am Wannsee, einem Viertel mit zahlreichen beeindruckenden Villen, einem wunderschönen See und einem sehr einladenden Strandbad. Perfekter könnten die Gegensätze nicht sein als zwischen Neukölln und Wannsee, könnte man naiv denken. Unser Besuch des Hauses der Wannseekonferenz jedoch, nämlich dem Ort, an dem sich 1942 Funktionäre des NS-Regierungsapparats sowie der SS trafen, um über die Organisation der „Endlösung der Judenfrage“, eines der größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte, zu beraten, ließ uns auch die Brüchigkeit dieser Idylle wahrnehmen.
Optimistisch stimmte uns anschließend der Besuch des Bundestags im Reichstagsgebäude, der Blick in den Plenarsaal, den wir aus dem Fernsehen kannten, der Besuch der gläsernen Kuppel, die einen traumhaften Blick auf die Stadt bietet und die Transparenz der Arbeit des Parlaments symbolisieren soll. Die einmalige Film- und Lichtprojektion „Vom Reichstag zum Bundestag“, die wir zu später Stunde unter freiem Himmel im Parlamentsviertel besuchten, fasste inhaltlich viel von dem zusammen, was wir gesehen und gehört hatten über die Geschichte des Parlamentarismus von seinen zaghaften Anfängen im Kaiserreich, seiner kompletten Eliminierung im Nationalsozialismus, den Scheinparlamentarismus der DDR bis hin zu seiner Blüte im Deutschland nach der Wiedervereinigung, eine Errungenschaft auch der Menschen, die für Vielfalt und vor allem für Freiheit 1989 auf die Straße gegangen waren. Ein Besuch im Schloss Sanssouci in Potsdam rundete unseren Besuch dann am Freitag ab.
Vielfalt als Wert an sich, den diese Stadt lebt wie vielleicht keine andere; Freiheit und Demokratie als Errungenschaften, für die es sich lohnt, immer wieder einzutreten, was man in Berlin sicher besser verstehen kann als andernorts. Aber auch einen Hauch von Sommerfrische trotz der Hitze spüren während einer Spreefahrt, ein Besuch im Filmpark Babelsberg mit Hightech-Fahrgeschäften und Stuntshows, Shoppen in der Großstadt genießen, im Futurium aktiv werden (dem neuen Zentrum für Zukunftsgestaltung), experimentieren im Science Center Spectrum, dem Wissenschaftsmuseum mit 150 Experimenten zum Mitmachen, sich erfolgreich mit dem S- und U-Bahnsystem bekannt machen und stolz darauf sein, es nutzen zu können und nicht zuletzt auch lecker vietnamesisch essen, unsere Fahrt war eine überaus gelungene Synthese von alldem und von noch so viel mehr.
OStR Streb